1900: Bevölkerungswachstum und Auto-Mobilität

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Bevölkerungszahl Berlins noch rasanter als bereits im 19. Jahrhundert. Sie wuchs zwei bis drei mal so schnell wie in Paris und London. Hatten 1877 noch rund eine Million Menschen in Berlin gelebt, wurde 1905 bereits die zweite Million erreicht. 1920, als die Stadt mit den Umlandgemeinden zu “Groß-Berlin” zusammengelegt wurde, lebten gar 3,8 Millionen Berlinerinnen und Berliner auf knapp 900 Quadratkilometern. Mit der Bevölkerungszahl wuchs zu Lande und zu Wasser der Verkehr in und um Berlin und Potsdam. Im Berliner Raum entstanden Chausseen als Grundlage vieler Autobahnen, Bundes-, Reichs- und Fernstraßen, die zum Teil auch heute noch bestehen. Die ehemalige preußische Musterchaussee aus dem Jahre 1792, die über die Glienicker Brücke führte, stellte nach 1871 eine der wichtigsten Hauptstraßen des neugegründeten Deutschen Reiches dar.

Staus an der Brücke

Auch an der Glienicker Brücke war der Verkehr inzwischen beträchtlich: im Durchschnitt fuhren in den Jahren 1900-1902 monatlich 11 400 Fuhrwerke an dieser Stelle über die Havel. Im Winter weniger, im Sommer wegen der Ausflügler entsprechend mehr. Dazu kamen in den Sommermonaten noch einmal bis zu 200 Autos täglich. Die Spitzenbelastung lag im Juni 1901 bei fast 24 000 Fahrzeugen. Das heißt, das in diesem Monat täglich immerhin 800 Fuhrwerke oder Automobile die Brücke überquerten. Klar war, daß die nur 6,45 Meter breite Fahrbahn derartigen Pendler- und Ausflüglerströmen nicht mehr gewachsen war, zumal der Verkehr weiter zunahm.  Dazu kam, dass nicht nur der Verkehr auf der Brücke immens wuchs, sondern auch der Schiffsverkehr unterhalb des Bauwerks  stark anstieg. Denn in der Zwischenzeit waren in Preußen zahlreiche neue Kanäle gebaut worden, um dem wachsenden Eisenbahnverkehr etwas entgegensetzen zu können. 1906 wurde nach sechsjähriger Bauzeit der Teltowkanal eröffnet, der die Verbindung zwischen Elbe und Oder abkürzte und den Binnenschiffern die Fahrt durch die Stadt auf der Spree ersparte. Also mußte ein Neubau her.


Die Stahlbrücke

Am 16. November 1907 wurde das Bauwerk dem Verkehr übergeben. Der Schiffsverkehr konnte die neue Glienicker Brücke durch drei Öffnungen passieren, von denen die beiden äußeren jeweils 37 Meter maßen und die mittlere 74 Meter breit war. Die Brücke ruhte auf zwei Land- und zwei Strompfeilern. Noch am selben Tag begann man damit, die Notbrücke abzureißen. Die Wiedereröffnung erfolgte sang- und klanglos: "Obwohl an zahlreiche Vertreter der Behörden Einladungen ergangen waren, wohnte von diesen dem Festakt nur der Regierungspräsident v.d. Schulenburg bei", bemerkte die Vossische Zeitung.



1937/38 wurde die Potsdamer Chaussee bis zur Glienicker Brücke auf jeweils zwei Fahrspuren pro Seite verbreitert. 1938 wurde deshalb die östliche Auffahrt der Glienicker Brücke diesen Gegebenheiten angepaßt. Man hob sie an und verbreiterte sie. Als Folge hatte die “Große Neugierde” den Autos zu weichen und mußte um 4,50 Meter nach Norden verlegt werden. In Zusammenhang mit diesen Umbaumaßnahmen wurde auch die geschlitzte Betonmauer entlang der Straße entfernt und das Brückentor abgerissen.

1945

Kurz vor Kriegsende kam die populäre Brücke sogar noch zu Filmehren: In Helmut Käutners UFA-Streifen “Unter den Brücken”, der 1944/45 gedreht wurde. Am Samstag, dem 14. April 1945, begann gegen 22 Uhr 40 der letzte Großangriff der Royal Air Force auf eine deutsche Stadt, auf Potsdam. 500 britische Bomber legten die ehemalige Residenzstadt weitgehend in Trümmer und verursachten auch ungewöhnlich hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung. “Sofort nach der Entwarnung eilten wir auf die Glienicker Brücke, von wo aus wir die brennende Stadt in ihrem ganzen Umfang überblicken konnten”, erinnerte sich später eine Augenzeugin. In dieser Nacht starben fast 4 000 Menschen. Ab dem 22. April setzten die Abwehrkämpfe gegen die Rote Armee ein, und am 28. April war der Krieg in Potsdam zuende. Die deutsche Wehrmacht zog sich in Wannsee zusammen, um letzten Widerstand zu leisten. Vermutlich durch einen Querschläger wurde ein an der Brücke angebrachter Sprengsatz getroffen, der explodierte und die Brücke zerstörte.